- 17. April 2015
- Veröffentlicht durch: admin
- Kategorien: Sprachgeschichte, Sprachwissenschaft
Die Bibel wird seit Jahrhunderten auf der ganzen Welt von Menschen jeden Alters und jeder Bildungsklasse gelesen und stellt bis heute die Glaubensgrundlage der anhängerreichsten Religion der Welt dar: des Christentums. Um aber eine so umfassende Leserschaft erreichen zu können, braucht es, früher genauso wie heute, Menschen, die dieses Buch, ursprünglich griechisch und lateinisch, Sprechern anderer Sprachen zugänglich machen: die Übersetzer!
Heute ist die Bibel das meistübersetzte Buch der Welt. Aber der erste bekannte Bibelübersetzer war Martin Luther. Er wird zwar allgemeinhin weniger mit der Bibel als mit seinen 95 Thesen zu Wittenberg in Verbindung gebracht, aber seine Deutschübersetzung der Bibel, für die er zwölf Jahre brauchte, darf wohl mit Fug und Recht als sein Lebenswerk gesehen werden, und zwar als sehr bedeutendes, dessen Einfluss auch heute noch deutlich spürbar und klar ersichtlich ist.
Luthers Idee hinter seinem Mammutwerk war, den breiten Massen, den Bauern und Knechten, die des Lateinischen der Kirchenmänner nicht mächtig waren, die Bibel zugänglich zu machen. In diesem Gedankengang zeigte sich Luthers enormer Reformierungswillen, denn damit lehnte er sich bewusst auf gegen die gängige Meinung des Klerus, dass nur reiche und somit gebildete Menschen Zugang zu geistlichen Werken, allen voran die Bibel, haben sollten. Luther sah sich als einen Mann des Volkes; er trat dafür ein, dass Wohlstand und Bildung nicht Hand in Hand gehen dürften und schon gar keine Auswirkungen auf den Glauben haben sollten. Aus diesem Grunde wählte er für seine Deutschübersetzung auch nicht ein gedrechseltes, verschnörkeltes Schriftdeutsch, was ja auch wieder Bildungssprache gewesen wäre, sondern die gesprochene Sprache. Damit waren einfache Handwerker erstmals in der Lage, selbständig die Bibel zu lesen und zu verstehen. Seine Textfassung war in diesem Stil auch nicht dafür gedacht, sie „im stillen Kämmerlein“ zu lesen, sondern zum Vortragen, zum Vorlesen, dazu, sich gemeinsam mit anderen in der Diskussion mit dem Gelesenen auseinanderzusetzen. Luther nahm den Leitsatz „Sprache kommt von Sprechen“ wörtlich.
Der Anfang des Hochdeutschen in unserem heutigen Verständnis und der gleichzeitige Niedergang des Lateinischen nahmen ihren Anfang und werden durch Luthers Bibelübersetzung als Meilenstein in der Geschichte markiert.
Aber damit nicht genug, Luther übersetzte nicht nur, sondern er legte die Bibeltexte auch aus, interpretierte sie, deutete sie in den Alltag des gemeinen Volkes hinein und brachte ihm die Inhalte auf diese Weise viel näher, als es eine hochtrabende, belehrende Übersetzung jemals vermocht hätte. „Dem Volk aufs Maul schauen“ wollte Luther, die Sorgen und Nöte der ärmeren Menschen arbeitete er unmittelbar in seine Übersetzung ein. Darüber hinaus regte er jeden einzelnen dazu an, indem er ihm eine extra auf diesen Zweck zugeschnittene Übersetzung an die Hand gab, seinen eigenen Kopf zu benutzen und nicht länger dem durch und durch korrupten Klerus zu vertrauen. Als Konsequenz sägte Luther damit erheblich am Stuhl der Kirchenmänner, da er ihnen damit das bewusst aufgebaute Wissensmonopol, zu dem die Arbeiter keinen Zugang hatten, entriss. Luther wusste: Wissen ist Macht! Indem er der Kirche das alleinige Wissen entriss und dem Volk in die Hände legte, nahm er der Kirche somit auch die Macht über die Massen: Die jahrhundertelange Vormachtststellung der Kirche endete allmählich. Und Luther leistete mit seinem Werk dem Vormarsch der Aufklärung einen enormen Vorschub.
Doch auch heute ist Luthers Übersetzung noch aktuell. Seit 1534, ihrem Erscheinungsdatum, ist die Lutherbibel zwar mehrfach sprachlich an die modernere Sprache angeglichen worden, doch stellt sie seit damals bis heute die aktuelle Bibelausgabe der evangelischen Kirche dar.
Luther war kein Goethe, kein Schiller, doch die Bedeutung seines Werkes bleibt in sprachlicher, wie in inhaltlicher Hinsicht keineswegs hinter deren Werken zurück!
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