In unserer eigenen Muttersprache sind wir in der Lage, spontan und ohne nachzudenken zu kommunizieren. Es ist die Sprache, in der wir denken und träumen. Es ist die Sprache, in der sich unser Leben ausdrückt. Begegnet man auf der Straße einem Kind mit einer anderen Muttersprache, kann man sich des Gedankens „so jung und schon fließend Chinesisch (Französisch, …) sprechen“ häufig nicht erwehren. Man vergisst dabei kurzfristig, dass für dieses Kind seine Muttersprache genauso selbstverständlich ist wie für uns unsere eigene.

Doch wie lernt ein Kind eigentlich sprechen? Wie kommt es, dass es in seiner Muttersprache so fließend zu sprechen in der Lage ist und sich fremde Sprachen oft mühsam aneignen muss und darin doch in den meisten Fällen nie so sicher und sprachgewandt sein wird, wie in seiner eigenen?

Dieser komplexe Vorgang ist Gegenstand vieler Forschungen und daraus resultierender Theorien:

Die Theorie des Behaviorismus beispielsweise sieht den kindlichen Spracherwerb als ein Wechsel an ausgestoßenen Lauten und dem Beobachten der Reaktionen des Umfelds. Auf „richtige“ Lautbildungen reagiert das Umfeld wie gewünscht, beziehungsweise belohnt die Äußerungen, bei „falschen“ Lauten erfolgt eine negative, also verbessernde, oder keine Reaktion. Imitation ist also in dieser Theorie das treibende Element. Die Theorie des Nativismus widerspricht dem jedoch und führt an, dass falsche Formen nicht auf Imitation zurückgeführt werden können, sondern dass im Gehirn unbewusst Regeln für Grammatik und Satzbau aufgestellt werden und im Laufe der Monate und Jahre nachjustiert werden.

Die Theorie des Interaktionismus stützt sich hingegen eher auf die Kommunikation der Mutter zu ihrem Kind und behauptet, eine Mutter spricht mit ihrem Kind immer an dessen Entwicklungsstand angepasst und trainiert mit ihm mithilfe einer Erhöhung des Niveaus nach und nach konstant den Spracherwerb.

Die Theorie des Kognitivismus hingegen argumentiert eher mit den Sinneseindrücken eines Kindes und findet, dass ein Kind Gegenstände mit allen Sinnen erkunden muss, um die Bedeutung ihrer Bezeichnungen vollständig erfassen zu können.

Wertvolle Ansätze finden sich in allen diesen Theorien, und Imitation ist für den Spracherwerb wohl ebenso wichtig wie die Sinneseindrücke. Und der Ablauf des Spracherwerbs variiert zwar von Kind zu Kind, manchmal werden Stufen übersprungen, manchmal bereitet eine Stufe besondere Schwierigkeiten, je nach Sprachtalent und persönlicher Entwicklung, aber der grobe „Plan“ bleibt in sich doch immer ähnlich:

In den ersten sechs Monaten werden meist nur Laute erzeugt, die sich danach zu dem typisch frühkindlichen Lallen entwickeln. Auch erste Worte wie „Mama“ und „Papa“, die von der Umwelt noch freudig verstärkt werden, fallen in die Zeitperiode bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres. Allmählich entwickelt sich die stark vereinfachte Babysprache, in der Tierlaute und Geräusche imitiert werden, das passive Sprachverständnis jedoch schon bedeutend weiter entwickelt ist. Mit zwei Jahren kann ein Kind allmählich ganz einfache Sätze konstruieren und kennt die Bedeutung von Possessivpronomen bereits. Die Artikulation ist noch sehr undeutlich, aber der Wortschatz steigert sich nun sehr schnell. Zwischen vier bis sechs Jahren ist der Erstspracherwerb meist abgeschlossen und Kinder können nun fließend und klar kommunizieren, wobei sich der Wortschatz ein Leben lang vergrößert.

So mühelos und „nebenher“ wird ein Mensch eine Sprache nie wieder lernen können. Eigentlich schade, aber aus diesem Grund ist die Muttersprache für jeden Menschen etwas ganz Besonderes!



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